Grundsätzliches zur Forschung

Klimawandel, Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum stellen unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Rund hundert Jahre, nachdem die Moderne eine Stilistik entwickelte, die sich in der Reduktion von Masse, Material und Ornamentik vom „Ballast der Geschichte“ befreien wollte und daraus einen neuen formalen Minimalismus entwickelte, geht es heute auf andere Weise darum, mit weniger mehr zu erreichen. Als Architekturschaffende, die wir im Bauwesen für einen zu hohen Grau- und Betriebsenergieaufwand sowie für unverträgliche Treibhausgasemissionen verantwortlich zeichnen, können wir einen essenziellen Beitrag nicht nur zur Klima-, sondern auch zu einer erneuten Baukulturwende leisten. Das unumstößliche Verdikt des Verzichtes ist unattraktiv, sowohl für die Architekturnutzenden, wie für uns Architekturschöpfende. Wir erkennen in ihm aber die einmalige Chance eines Paradigmenwechsels, welcher der Baukultur in einer Epoche der erkennbaren Erstarrung eine neue Dynamik verschaffen kann. Die Architektur ist die Disziplin, die essenzielle und funktionale Aspekte mit kulturellen und gesellschaftlichen Faktoren radikal und ganzheitlich verschränken kann.

Unter diesen Voraussetzungen beschäftigen wir uns auf den vier Forschungsplattformen „Transformation„, „Hybride„, „Materialsuffizienz“ und „Raumkomposition“ mit brisanten Fragen aus der Praxis, die wir parallel in Lehre und Forschung ausloten und interaktiv verschränken.

Radikale Symbiosen (Forschungsprojekt 2023-3 2025)

Mit erfrischenden Visionen möchten wir aufzeigen, wie die Krise zur Chance werden kann, indem die Reflexion über das, was wir lebens- und liebenswert finden, Tradiertes und Innovatives in neue Beziehungen setzt. Es gilt, daraus Konstellationen zu entfalten, in denen Unerwartetes zusammenfindet. Aus der Geschichte schöpfen wir die Erkenntnisse, die uns zu einer neuen Form des Stoffwechsels führen. Scheinbar Unvereinbares wird in überraschenden Zusammenhängen untersucht und in eine „neu Tektonik“ transformiert: Radikale Symbiosen forcieren diesen Prozess. Empirisch erforschen wir Regelwerke für diese neuen Konstellationen, die ebenso wenig allein durch formale Ambitionen wie durch pragmatische Konditionen gelenkt sind. Der „Bricollage“ ziehen wir die „Collage“ als künstlerische Verfahrenstechnik vor; Allwissen wird durch Allsuchen ersetzt.

Mehrfachsinn und Mehrfachsinnlichkeit, Mehrfachfunktion und Mehrdeutigkeit sind die Faktoren, die uns bei der Auslotung von Entwurfsverfahren leiten. Jenseits von Autonomie, Autarkie und Autorenschaft wird in dieser Haltung jede Operation Teil eines vielschichtigen Ganzen: Das Projekt ist ein Prozess. Es lebt von der Komplexität der Neudefinition von Zusammenhängen, die es kollaborativ und interdisziplinär zu ergründen gilt. In einer Welt von Individuellem und Vereinzeltem, in einer Berufslandschaft von Spezialst:innen, agieren wir als Spezialist:innen für das Ganze.